Donnerstag, 2. August 2007

Alltagschoreografie

Der Begriff Utopie entstammt dem Titel "Utopia" des 1516 erschienenen Romans des englischen Staatsmanns Thomas Morus, der darin eine ideale Gesellschaft beschreibt, mit deren Hilfe er seinen Zeitgenossen einen kritischen Spiegel vorhält. Thomas Morus' Utopia liegt (noch) nicht in der Zukunft, sondern in einer fernen Weltgegend.
Utopie ist eine Wunschvorstellung, die sich dadurch auszeichnet, dass sie zwar denkbar und in vielen Fällen wünschenswert, vor dem jeweiligen historisch-kulturellen Hintergrund jedoch in vielen Fällen (noch) nicht oder nicht mehr realisierbar ist. Sie ist die Beschreibung einer Welt, eines Ortes, an dem derartige Vorstellungen verwirklicht sind. Damit ist die Utopie im Hinblick auf ihre Denkbarkeit eng mit Wahrheitsansprüchen, hinsichtlich dem Anspruch ihrer Realisierbarkeit eng mit dem Irrtum und der Lüge verbunden. Im Sprachgebrauch wird Utopie auch als Synonym für einen von der jeweils vorherrschenden Gesellschaft vorwiegend als unausführbar betrachteten Plan, Konzept und Vision, benutzt. Ein ähnlicher, in diesem Kontext oft verwendeter Begriff: Wunschtraum. Es handelt sich um eine Welt, die bisher keinen Ort hat und nur als Gedanke und Idee existiert.
Ich habe einen Traum und um dieser Traum zu verwiklichen versuche ich meine Idee über "Die kreativitäten der alltäglichen Bewegungen" in eine Bewegungstechnik zu verwandeln.

Zum Paradigma der Bewegungsästhetik in dem Alltag, erhebe ich ein regelrechtes Bewegungsprinzip, das die vitalen Lebensprinzipien der menschlichen Dasein symbolisiert. Ich versuche die Bewegung entsprechend physischen und ethischen Prinzipien zu strukturieren, um sie aussagestark und begreifflich in Erscheinung zu bringen. In der Ausbreitung dieser Bewegungstechnik konzentriere ich mich auf zwei grundlegenden, sich physisch entsprechenden Bewegungsprinzipien: Stabilisieren und Bewegen.
Die Bewegungen sind eigentlich muskuläre Spannungen, die dynamische Variationen der Geschwindikeit, der Kraft und des Richtungfusses erzeugen.

Diese Technik inkorporiert die Lebenskraft durch die Mobilisierung des körpereigenen Gewichts und des Gewichts seine Teile. Dass heisst, der Körper und seine Teile werden durch ein zeitweiliges Nachgeben des Eigengewichts in Bewegung gebracht. Die Bewegungen dynamisieren sich innerhalb des Kontinuums von Stoppen- Stabilität und Loslassen- Beweglichkeit. Am äussersten Punkt der Balance gibt der Körper der Schwerkraft nach, der Körper fällt und findet zu seiner Stabilität durch die automatische Aktivierung seiner Muskulären Gegenkraft zurück. Die ästhetische Bedeutung dieser Grundbewegung erhält innerhalb des alltäglichen körpertechnischen Trainings die richtige Funktion.
In Stabilität und Beweglichkeit zeigt sich die " Kreativität der Bewegung“ in einer für den Menschen existentiellen und emotionalen Dimension. Alles befindet sich im konstanten Fluss von sich fallenlassen und wiederaufrichten. Der Körper beherrscht das dynamisch- kinästhetische Zusammenspiel dieser beiden Grundkräfte, die auf der Masse des Körpers einwirken.


Im Prinzip sich fallenlassen, dass heisst auch loslassen zu können, erfährt man ein Gefahrenmoment, welches den ganzen Leib durchzieht und ihn im Bewegungrausch vollkommen erfüllt. Im Aufhalten der Bewegung wird der Körper von einem Gefühl ruhiges Gleichgewichts durchströmt.
"Am Ende jeder Bewegung ist Tod – der statische Tod oder das beständige Gleichgewicht, oder der dynamische Tod in einer Bewegung, die zu weit aus Gleichgewicht herausführt. Der Wunsch nach Bewegung bringt organische Materie dazu, das Zentrum des Gleichgewichts zu verlassen. Der Wunsch jedoch, das Leben zu erhalten, führt zur Wiederherstellung des Gleichgewichts oder zu einer weiteren Bewegung der Materie, die als Ausgleich der ersten Bewegung ausreicht, um den Organismus vor Zerstörung zu bewahren."[1]

Ich nenne diese Technik "Bewegung Performance" und benütze sie bei vielen Alltags Bewegungen wie zum Beispiel beim Aufstehen und Absitzen, zum Gehen, die Treppen hinauf und hinunten Steigen, beim Kochen, Fenster reinigen, Bügeln, Staubsaugen, zur Gartenarbeiten.

Performance (engl.: Aufführung, Vorstellung, Vortrag, Darstellung, Spiel) ist, seit etwa 1960, eine Form der Aktionskunst.Performance richtet sich gegen Vorstellungen von Kunst als dauerhaftem, werthaltigen, beliebig verschiebbaren und verkäuflichen Objekt und betont dagegen das Situationbezogene, Handlungbetonte, Vergängliche des Künstlerischen. Sie kritisiert die Trennbarkeit von Künstler und Kunstwerk. Nicht Geschichten und Rollen wie im Theater oder Bilder und Objekte wie in der bildenden Kunst stehen dabei im Mittelpunkt, sondern Aktionen, Bewegungen und Prozesse. Performance-Künstler geben nicht etwas anderem Gestalt, sondern sich selbst.

Alltagschoreografie

Choreografie ist Teil des Lebens jeden Menschen, betrachtet durch die Analyse des Benehmens und die Analyse der Vergesslichkeit des Wesens. Die Gewohnheiten, die man als unwichtig annimmt, sind der wesentliche Teil des Choreografie des Lebens. Schon morgens, beim Aufstehen, die Bewegungen, die Menschen alltäglich wiederholen sind mit dem Rhythmus, der Dynamik und dem Bewegrichtung rationalisiert.
Soziologisch betrachtet, das gesellschaftliche Benehmen hat auch einen choreografischer Kodex bestimmt.
Ein einfaches Beispiel ist eine Einladung zum Abendessen. Das Vorgehen, so eines Abends ist in seinem Geschehen und seinen Bewegungen fast immer Ritualisiert.

"Komm und setzt dich an Tisch, mein lieber Gast" ist die Einladung mit der wir unseren Freunden, unser Herz und die Türe unserer Wohnung eröffnen.




Und was machen wir dann? Die Freunde kommen mit allen Kleinlichkeiten die zum festlichen Essen dazu gehören, mit dem Blumenstrauss und einer Flasche gutes Wein. Wir haben gut gekocht, der Wohnung gesäubert und den Tisch verzaubert.


Auf dem Tisch stehe der beste Wein. Die Porzellanterrine mit dampfende Suppe, Platten mit Fleisch, Teller mit Käse und Schalen mit Pyramiden aus Früchten und Kompott werden aus der Küche Hereingetragen. Das ist ein gehaltvolle Festessen, die uns in der langsamen Zeremonie der Mahlzeit vereinigt.





Aber die Tisch Etikette verführt uns und wir kennen diese Momente nicht richtig geniessen. Uralter Choreographierter Codex gutes Benehmen zwingt uns unsere Sinne unter Kontrolle zu hallten. Dieser Codex ist entstanden in der Zeit wenn man die Funktionen des Körpers noch nicht genügend kannte und über viele Gehirn Funktionen noch nicht genug wusste.




Ich habe manchmal das Gefühl, das Antike Festmahl dem Körper angemessene war, als später entstandene Salon Manieren.
Esszimmer war, seit Renaissance bis Mitte letztes Jahrhundert, der Spiegel des Etiketts und guten Geschmack, aber auch gutes Benehmens an Tisch.
Ich beobachte ein altes Foto. Die Frau und der Mann, im Bekleidung der Epoche, an Tisch sitzend. Ich muss feststellen das Ihre Körperhaltung entspricht meiner Vorstellung einer "gute Körperhaltung", aber ich weiss auch das sich unter elegantem Kleid der Frau und modischem Anzug des Mannes, die Korsetts verstecken.
Die Tatsache dass wir die Korsetts weg geworfen haben zwingt uns unsere Körperhaltung besser wahr zu nehmen und kontrollieren.
Heute, in der Zeit des legeres Outfit und kreatives kochen, sollten wir uns mit neuen Choreografie des Benehmens an der Tisch beschäftigen. Die neue Gourmandesse macht aus uns den Feinschmecker, aber genau dass verlangt auch beim sitzen, essen und trinken einen neuen Rhythmus.
Die Grundregeln, immer als Imperativ ausgesprochen und in meine zarteste Kindheit eingebrannt, stützten meine Erziehung zur jungen Dame:

  • setzt dich mit geschlossenen Beinen,
  • sitzt Aufrichtig,
  • sprich nicht beim Essen,
  • nimm die Gabel in die linke Hand,
  • iss Manierlicht.

Die Regeln des Benehmens bei essen und sitzen an Tisch sind zwar eine Reihe von Verboten und die funktionieren noch immer wie päpstliche Index, der seine Strenge wegen der gegensätzlichen Wirkung erzeugt.




Stellen wir uns eine besondere Gelegenheit vor, vielleicht ein elegantes Abendessen in dem Speisesaal eines Renaissacepalastes, der in ein Restaurant umgewandelt wurde. Kristalllüster und Kerzenleuchter verbreiten ein sanftes Licht, weiche Teppiche schützen das alte Holz des Fussbodens, dreihundert Jahre alte Gobelins verhüllen die Wände, und Fresken mit mythologischen Themen schmucken die Decke.
Vor den runden, mit lang herabhängenden Tafeltüchern gedeckten und mit Rosen dekorierten Tischen sitzen festlich gekleideten Speisenden auf Stühlen mit geschnitzten Rückenlehnen.
Der Tanz der Kellner, Priester einer prunkvollen Messe, spöttisch beflissen tragen sie die Platten mit köstlichen Speisen herein.
An einem der Fenstertische sitzt ein Paar. Die Frau, leuchtend ganz in rotem Samt. Der Mann in Schwarz. Sie sitzen mit gerade Rücken und halten genaue Abstand zwischen Stuhl und Tisch. Ihre Bewegungen sind kontrolliert, einwenig Steif, als folgten sie einer Ballett Choreographie.
Ein anderes Beispiel spielt sich vor den Würstchenständen und Brezelbuden in den Fussgängerzonen ab. Der moderne Mensch hat für die Tischsitten den Tag über keine Zeit mehr. Mittagessen ist für viele Menschen überflüssig geworden. Es wird ein Burger oder eine Salat im stehen gegessen, ein Würstchen oder eine Pizza unterwegs vernascht. Mann trinkt das Mineralwasser oder das Bier aus der Dose.
Diese beider Beispielen beschreiben Sättigung des Hungers. Es gibt kein Unterschied zwischen diese zwei Beispiele. Bei erstem die Frau und der Man geniessen nicht das Abendessen, das Ambient und dazu passende Atmosphäre, die beide denken ans Benehmen. Bei zweitem Beispiel moderne Mensch kann nicht geniessen weil er immer im Stress isst.

Ich sitze an Tisch und esse. Meine beiden Füsse sind mit den ganzen Fusssollen auf dem Boden, die Kniegelenken sind gebeugt, das Becken ist aufgerichtet auf seinen Sitzbeine, die Wirbelsäule und der Brustkorb sind, initiiert durch meinen Atem, in ständige Bewegung.
Bei Einatmen lasse ich alle meinen Rumpfmuskel los, bei der Ausatmen ziehe ich meinen Bauchnabel an und spüre Stabilität meines Körpers. Ein und Ausatmen, loslassen und Halten ist ein Spiel der ich mit meinem Körper meinen Leben lang spielen werde.



Ich stelle mir vor, ich befinde mich in meine Dynamosphere, die als Gedankebild einer durchsichtige Kugel darhestellt ist. Meine Körper und Bewegunsgeometrie ist automatisch hergestelt. Mit meinen Bewegungen hinterlase ich inerhalb der Kugel die verschiedene Spuren und verwandle mein persönlichen Raum in verschiedenen geometrischen Figure. Jede von diesen Figuren ist aus den Mehrzahl der Dreiecken gebaut.

Das Ikosaäder ist der komplexeste platonische Körper. Es besteht aus 20 Dreiecken - und an jeder Ecke stossen 5 Kanten und 5 Flächen zusammen. Es ist also von der Zahl 5 bestimmt; und die Fünf mit dem zugehörigen Goldenen Schnitt eröffnet von den Geheimlehren der Pythagoräer bis zur neuesten mathematischen Forschung ein weites Feld für Zahlenmystik.

Die Bewegungen im Ikosaeder bedeuten eine dynamische Kristallographie der menschlichen Bewegung, also ein Symbol für die Übereinstimmung von organischer Natur und abstraktem mathematisch-geometrischem Gesetz und für die Vereinigung von feststehenden und dynamischen, starren und veränderlichen Elementen.

Wenn ich mir diese bewegliche Gedanekebilder vorstelle dann sitze ich nicht steif, mein ganze Körper bewegt sich. Meine Arme bewegen sich aus den Schultergelenken weil mein Schultergürtel durch meinen Atem gleichzeitig stabil und beweglich ist. Mein Kopf schwebt auf meinem Nacken, der befolgt die Bewegungen meiner Wirbelsäule. Ich esse und trinke ohne meinen Rücken, meinen Schultergürtel und meinen Nacken zu belasten. Meine Armmuskeln bewegen meine Arme in der Technik Halten- loslassen. Wenn sich die Armbeuger anspannen, die Armstrecker lassen los. Mit dem Atem bewege ich meine Bauchmuskeln, die dann mein Bauch und mein Magen massieren und so helfen meiner Verdauung.
Ich geniesse das Abendessen mit alle meiner Sinne. Mein Kopf schwebt auf dem Nacken, meine Kiefergelenke bewegen sich in der halten- loslassen Technik und in meinem Mund entfaltet sich Geschmacksinn. Ich Atme durch die Nase ein und mein Riechsinn verrät mir die Düfte des Essens. Mit meinem Blick geniesse ich die Ambiance und Atmosphäre des Restaurants und weil ich in meiner Sitzhaltung entspannt bin kann ich lange an eine interessante Diskussion teilnehmen.


[1] Doris Humphrey Collection- zitiert aus Stodell 1986, S. 28.